Der Start der Serie

1958 kam die Stunde der Wahrheit. Potenzielle Kunden liefen den Händlern die Bude ein. Aber sie mussten vertröstet werden. Es gab nur spärliche vage Informationen mit dem Hinweis, das Warten würde sich lohnen. Die Händler forderten mit Nachdruck die baldige Auslieferung, um endlich das Aufstiegsmodell anbieten zu können.
Im Werk war man in Zeitnot, denn man hatte beschlossen, den Wagen so wie er vorgestellt wurde, nicht in Serie gehen zu lassen. Es wurde gesagt (und auch geschrieben), dass die Lage des Motors vor der Vorderachse mit dem geplanten Frontantrieb eine ungünstige Achslastverteilung mit sich gebracht hätte. Eine abenteuerliche Straßenlage wäre die Folge gewesen. Insider bezweifeln den Wahrheitsgehalt, denn das sei technisch nicht begründbar.
Da der gezeigte Prototyp nicht fahrbereit war und sowieso erst noch fertig konstruiert werden musste, ist es eher wahrscheinlich, dass sich Glas und Dompert in Gesprächen auf der IAA davon überzeugen ließen, wenn schon, denn schon, gleich ein „richtiges Auto" mit Standardantrieb, Motor vorn – Antrieb hinten, zu konstruieren. Diese Version kennt der Enkel des Firmenchefs von seinem Onkel.
Die Konstruktionsabteilung war nun gefragt. In Nachtschichten konstruierte sie um und änderte und änderte: das Große Goggomobil erhielt also Hinterradantrieb und war damit der einzige Kleinwagen seiner Zeit, der sich rühmen konnte, ein Antriebskonzept wie die weit teurere Mittelklasse zu haben. Es wurde ein Vollsynchron-Getriebe von Getrag eingesetzt, dessen Radsatzaufbau mit Abtriebskonstante das „kopfstehende" Schaltbild zur Folge hatte.
Auch äußerlich hatte man einiges verändert: die Fensterholme wurden schmaler als beim Urmodell, der Kühlergrill wurde flacher gestaltet und umfasste jetzt die beiden Blinker. Die Rückleuchten wurden vergrößert. Da das Reserverad über dem tief liegenden Motor Platz fand, stand den Insassen ein Kofferraum von mehr als 300 Liter Fassungsvermögen zur Verfügung.
Das für damals sehr moderne ArmaturenbrettIm Innenraum gab es ebenfalls etliche Änderungen: Breite Armlehnen verkleideten die hinteren Radkästen und das ursprünglich vom Goggo Coupé für den Prototyp übernommene Tachometer wich einem Breitbandtacho, dessen leichte Überdachung eine Spiegelung in der Frontscheibe vermeiden sollte. In dieser Tacho-Einheit waren moderne Tastenschalter für Licht und Scheibenwischer integriert. (Die Idee, Drucktasten statt hervorstehender Zug- oder Drehknöpfe zu verwenden, wurde später auch von anderen Firmen übernommen.)
Als man nach fieberhaften Arbeiten an den verschiedenen Versuchswagen schließlich glaubte, die in die Neukonstruktion gesetzten Erwartungen erfüllen zu können, brachte man im Sommer 1958 ein "Zwillingspärchen" auf den Markt (nun jeweils 100 kg schwerer als ursprünglich geplant): das "Goggomobil T 600" (20 PS, 100 km/h) und "T 700" (30 PS, 110 km/h). Die Preise waren günstig: 4.330 DM (T 600) bzw. 4.470 DM (T 700), jeweils inclusive Heizung - was damals durchaus keine Selbstverständlichkeit war.
Die Verkaufszahlen in den ersten Monaten waren vielversprechend. Bis zum Jahresende 1958 wurden 6.740 Wagen ausgeliefert. Im folgenden Jahr stieg dann die Jahresproduktion sogar auf knapp 25.000 - eine Zahl, die danach nie mehr erreicht wurde.

Leider war nicht alles Gold was glänzte!

Es hatte sich herumgesprochen, dass dieses Goggomobil zu früh auf den Markt gelassen wurde. Es war bei weitem nicht so zuverlässig und gut verarbeitet wie seine kleineren Brüder. Die ersten Käufer fühlten sich wie der verlängerte Arm der Testabteilung von Dingolfing.
Die zwei Vergaser, bei deren Einstellung viele Werkstätten überfordert waren, verursachten einen Benzinverbrauch von mehr als 10 L/100 km. Doch das war wohl noch das kleinere Übel. Die Mängelliste war umfangreich: bei zu großer Hitze verformte sich das Motorgehäuse und ein Motorschaden war vorprogrammiert. Und bei scharfen Kurvenfahrten konnte es vorkommen, das die Ölkontrollleuchte auf mangelnde Ölversorgung hinweisen musste. Außerdem machte die vordere Radaufhängung Schwierigkeiten (hoher Reifenverschleiß). Obwohl die Karosserie verwindungssteif genug war, entstanden an der B-Säule Lackrisse. (Nachfederung beim Zuschlagen der Tür). Der kleine Radius in den Ecken der Frontscheibe bereitete ein weiteres Problem: nach Regen stand der Innenraum unter Wasser.
Das Werk zeigte sich den sich getäuscht fühlenden Fahrern gegenüber aber sehr kulant und reagierte. Der Werkskundendienst hatte alle Hände voll zu tun. Ich kann mich daran erinnern, dass die Wagen in Extremfällen stillschweigend zurückgenommen wurden.
Im Hause GLAS hing der Firmensegen schief. Man arbeitete fieberhaft und versuchte die "Kinderkrankheiten" in den Griff zu bekommen und die Konstruktionsmängel zu beheben.

Und es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen! Kombi und S 35 machten auf die Fortschritte aufmerksam.

1959, auf der IAA, war es offensichtlich soweit. Man präsentierte ein gründlich überarbeitetes Modell, bei dem die Mängel an Karosserie und Motor beseitigt waren. Die vordere Radaufhängung war komplett umkonstruiert und das Blechteil der B-Säule verstärkt worden. Ein voluminöseres Scheibengummi und viel Abdichtungsmaterial lösten das Problem des Wassereinbruchs. Um den Benzinverbrauch zu senken, wurden die zwei Bing-Vergaser durch einen Solex-Fallstromvergaser ersetzt. Auch die Kupplung war nun endlich leichter zu betätigen.
Die Fortschritte der Entwicklungsarbeiten am "Sorgenkind" waren nicht zu übersehen und ab sofort sollte nichts mehr an den missglückten Serienstart erinnern. das Große Goggomobil wurde umgetauft auf "Goggomobil Isar". Weil man aber erkennen musste, dass die aufstrebende Kundschaft "Goggomobil" weiterhin mit dem knatternden Minimobil verband, trat dieser Name immer mehr in den Hintergrund.
Der Goggo-Schriftzug am Kotflügel wurde durch "Isar" ersetzt. Diese Schrift war so in die Länge gezogen, bis ihre Befestigungspunkte mit den alten identisch waren. Nur das geflügelte "G" auf der Motorhaube blieb erhalten. Um den Verkauf noch mehr anzukurbeln, wurden die Preise (nun ohne Heizung) um 340 DM gesenkt. So blieb man unter der verkaufspsychologisch so wichtigen 4.000 DM-Grenze.
Der Kombi - natürlich auch zweifarbigAußerdem wurde auf der IAA 59 die Modellfamilie um einen Kombi, den K 600 bzw. K 700, erweitert. Er war um 240 DM teurer als die vergleichbare Limousine. Sein verlängertes Dach verlieh ihm im Vergleich zur Limousine ein harmonischeres Aussehen und die hinteren Mitfahrer profitierten nun von mehr Kopffreiheit.
Für das Kleingewerbe gab es ihn als Lieferwagen ohne Rücksitze und hintere Seitenscheiben. Auch ein Notarztwagen mit einfahrbarer Trage wurde konzipiert (aber nie in Serie gebaut). Außerdem konnte der Kombi für 50 DM Preisnachlass in einer grundierten Ausführung bestellt werden. Der Dreitürer hatte eine nach oben schwingende Heckklappe, die nach dem Umlegen der Rückbank einen ebenen ca 1000 Liter großen Laderaum freigab. Seine konkurrenzlos hohe Nutzlast betrug 460 kg. Der Kombi war von Anfang an lieferbar und für seine Zeit sehr erfolgreich. Bis 1965 betrug sein Anteil an der Gesamtproduktion 16,3 %. In den letzten zwei Jahren lag er sogar bei knapp 45 %.
Der S 35 ging nie in SerieUm die Öffentlichkeit auf die vielen erfolgten Verbesserungen aufmerksam zu machen, präsentierte man gleichzeitig ein Coupé auf der vom 700er übernommenen aber stark veränderten Bodengruppe, den Isar S 35. Da hier der Motor vorne saß, bekam dieses Coupé eine neue Kunststoff-Front mit einem großen ovalen Lufteinlass, dem Ferrari Superamerica von 1956 nicht unähnlich. Die vordere Stoßstange wurde geteilt und bestand nun aus zwei kurzen Eckstücken. Die Scheinwerfer waren vom Isar, die Türscharniere saßen vorn. Die Radausschnitte wurden der veränderten Reifengröße der Dimension 4.80-12 angepasst. Der schmale Kinderrücksitz entfiel zugunsten einer zusätzlichen Ablage und ein kleiner Kofferraum war jetzt über die ehemalige Motorhaube zugänglich.
Der höher verdichtete Motor leistete 34 PS bei 4.900 U/min (in einigen Angaben ist von 5700 U/min die Rede) und beschleunigte in 22 Sekunden von 0 auf 100. Die Spitze lag bei damals sensationellen 135 km/h. Das Werk sprach von einem "Viertakt-Boxer-Sportmotor". Die ersten Fahrberichte in den Fachzeitschriften waren vielversprechend und machten neugierig.
Für 4.750 DM sollte der "Westentaschen-Ferrari" verkauft werden. Aber aus der geplanten Serienfertigung wurde nichts, weil in der Praxis der hochgezüchtete Motor die in ihn gesetzten Erwartungen doch nicht erfüllte. Dazu sagte Chefkonstrukteur Dompert: "Das Fahrzeug wurde verworfen, wegen der Lautstärke und den Problemen mit dem Kunststoff." So blieb der S 35 ein Technologieträger für die weiteren Entwicklungen.
Um die Haltbarkeit des Motors und die Robustheit der Karosserie zu demonstrieren, wurde später ein Isar mit zwei Ingenieuren auf eine Fahrt nach Nordafrika durch die libysche Wüste geschickt. Als das Ziel nach mehr als 1.000 km ohne Schaden am Fahrzeug erreicht wurde, konnte man den Stolz auf diesen Erfolg in einer Anzeige nachlesen: "Ein Leistungsbeweis - bis ins Letzte ausgereift!"
Die Vorderräder des neuen Goggomobil Isar sind durch Schraubenfedern und progressiv wirkende Gummi-Hohlfedern einzeln gefedert. Das sollte gemeinsam mit den hydraulischen Stoßdämpfern und der Schneckenlenkung einen hohen Fahrkomfort garantieren
In einem Test (Heft 10/1959) über den neuen Isar schrieb Roller, Mobil und Kleinwagen:
" ... die Fortschritte sind unbestreitbar. Wenn auch die Kinderkrankheiten und die unzureichende Entwicklungsarbeit dadurch nicht entschuldigt werden, so muß man doch auch berichten, daß das Werk sich mit hohem finanziellen Aufwand um die kulante Regelung von Schadensfällen bemüht hat und daß sich der Wagen, den man uns für diesen Test gab, trotz schärfster Erprobungen ... wirklich bewährte."
Als Gesamteindruck vermerkte man: "Erstklassige Straßenlage, sparsamer Motor, geschickte Raumaufteilung und vorbildliche Sichtverhältnisse, ein sehr vernünftig konstruiertes und nun auch gut gebautes Auto, ....., in manchen guten Eigenschaften den vergleichbaren Typen überlegen."