Die schwierige Namensfindung
Muss das damals eine Hektik in den Goggomobil-Werken gewesen sein: 1955 wurde das Goggomobil, die Limousine T250 vorgestellt. Das T stand hier wohl einfach für Typ (?) und die Zahl dahinter gab den Hubraum an. Schon ein Jahr später erschien das Coupé mit der Bezeichnung TS (TS = Typ Sport?) und kurz darauf stellte man den Transporter TL (TL = Typ Lasten?) vor.
In Dingolfing hatte man offensichtlich gar keine Zeit, sich über Namen Gedanken zu machen, denn schon 1957 sollte der Öffentlichkeit wieder ein neues Modell präsentiert werden. Auch dieser Wagen blieb vorerst namenlos, man nannte ihn schlicht „Das Große Goggomobil" - eine Bezeichnung, die von den Medien bereitwillig übernommen wurde.
Die Zeit bis zum Produktionsbeginn wurde aber genutzt, sich über einen anderen Namen Gedanken zu machen. Zitat: 'Wo sehr viele Köpfe denken, kommen auch sehr viele verschiedene Gedanken zusammen und nachdem im Kreis der Schöpfer des neuen großen Goggomobils keine Einigkeit darüber zustande kommen konnte, wie man das neue Kind am besten nennen soll, beschloss man einstimmig, einen Familienrat einzuberufen. Dies geschah in Form eines Preisausschreibens.' Die Zeit drängte und nach nur zehn Tagen und mehr als 4.000 Einsendungen musste die Namenssammlung Mitte Juni '58 abgeschlossen werden. 1.000 verschiedene Nennungen wurden gesichtet, bewertet und geordnet. Am Ende kristallisierten sich folgende Namen in dieser Reihenfolge als die Gewinner heraus:
1. Senior 2. Delphin 3. Isar 4. Mikado und 5. Dingo.
Zitat: 'Die Götter mögen wissen, ob das wirklich die besten Namen waren, aber nach dem Prinzip der Mehrheit ergab sich diese Reihenfolge. Nun fragten sich die Schiedsrichter, welchen dieser Namen sie als endgültigen wählen sollten. „Senior" wollte ihnen für ein so junges und quicklebendiges Fahrzeug dann doch nicht so ganz passend erscheinen und der „Delphin" schien ihnen unangenehm an den fast gleichklingenden Namen eines ausländischen Fahrzeugs (Renault Dauphine) zu erinnern. Kurzum, man fand auch an jedem dieser prämierten Namen irgendetwas auszusetzen. Aber schließlich machte „Isar" das Rennen.'
Doch die Jury konnte sich nicht durchsetzen. Ihre Arbeit und die der Preisausschreiben-Teilnehmer war (vorläufig) umsonst. Die Prospekte waren gedruckt und es gab kein Zurück mehr. Bei Produktionsbeginn im August 1958 hieß das große Goggomobil in Anlehnung an die Bezeichnung seiner kleineren Brüder/Schwestern schlicht „T600" bzw. „T700". Die Werkszeitschrift Goggomobil warb bei ihren Lesern um Verständnis. 'Namen sind Schall und Rauch. Wenn man Sie fragen wird, was für einen Wagen Sie fahren, so werden Sie antworten: Ein Goggomobil 600. Vielleicht werden Sie auch noch kürzer und im guten Bewusstsein der damit für Sie verbundenen Empfehlung antworten: Ich fahre einen „T6O0". Kein Name ist es, sondern eine Bezeichnung, wie sie in der Automobil-Industrie üblich ist und wie sie schon manchem anderen besonders guten Fabrikat ruhmreich zur Ehre gediehen ist.' (Wollte man hier eine gedankliche Verbindung zur Nomenklatur von Mercedes herstellen?)
Ein Jahr verging. Waren es nun die mehr oder weniger klangvollen Namen der Konkurrenzfahrzeuge, wie Alexander, Junior, Jagst oder Prinz, dass in Dingolfing ein Umdenken einsetzte? Oder war es doch der Umstand, dass man die Modelle „T600/700" gründlich überarbeitet hatte und dass man dies der Öffentlichkeit durch einen neuen Modellnamen mitteilen wollte? Auf jeden Fall hießen die Wagen nach den Werksferien 1959 offiziell „Goggomobil Isar". (Die Bezeichnungen T600/700 blieben aber als Zusatz weiterhin bestehen.)
In den folgenden Jahren wurde der Markenname immer häufiger weggelassen - nichts sollte mehr an die kleinen stinkenden und knatternden 2-Takter, die eigentlichen Goggomobile, erinnern. Man sprach nur noch vom Isar. Erst 1963 wurde ihm die Markenidentität zurückgegeben. Der Isar wurde „geadelt" und in den Stand der höherwertigen Automobile aus Dingolfing gehoben. Ab sofort hieß er ,,GLAS Isar". Damit war und blieb er das einzige Fahrzeug der GLAS-Automobilwerke mit einem eigenständigen Namen.
Jürgen Böttger
(Die kursiv geschriebenen Passagen sind Zitate aus Goggomobil, Heft 7/1958.)