Entwicklung und Fertigung der ersten 1.300 Mobile


Das erste Fronttür GoggomobilNachdem man bei GLAS neben den Landmaschinen mit dem Goggoroller erfolgreich in das neue Geschäft eingestiegen war, erkannte man recht bald, dass die Zukunft nicht im Zweiradbereich lag, sondern dass die Menschen nach einem eigenen Auto strebten.
Man fasste 1952 den Entschluss, einen Kleinwagen zu bauen. Hans Glas gab die Vorgabe, dass dieses Auto nicht mehr als DM 3.000,– seinen zukünftigen Kunden kosten dürfe. Das waren die Anschaffungskosten für ein Motorrad mit Beiwagen und der dazugehörigen Lederbekleidung. Weiterhin sollte das Fahrzeug für eine Familie mit zwei Kindern ausreichen und ca. 12 bis 15 PS Leistung haben.
Die anspruchsvollen Vorgaben des Seniorchefs führten dazu, dass die engsten Mitarbeiter bald erkannten, dass man für diesen Preis nicht die wichtigen Teile wie Motor, Getriebe und auch viele Werkzeuge dazu kaufen konnte. Man entschloss sich also, alles selbst zu entwickeln und zu bauen.
Doch vorab bekam Karl Dompert von Hans Glas den Auftrag, einen Sportwagen für den gleichnamigen Enkel zu entwickeln. Karl Dompert ließ dabei gleich zwei Bodengruppen fertigen und so entstand bereits die erste Bodengruppe für das Goggomobil (siehe dazu "Sonstige Fahrzeuge – Prototypen").

Für Motor und Getriebe konnte man Felix Dozekal von den Adler-Werken gewinnen. Nach vielen Anstrengungen, die auch mit vielen Rückschlägen verbunden waren, entstand ein robuster Zweitakt-Motor, der später für seine Langlebigkeit bekannt wurde. Der erste Motor lief bereits 1953. Doch die ersten in Serie gefertigten Motoren bekamen nach knapp 2 Minuten einen Kolbenfresser. Dozekal bekam das Problem nicht in den Griff. Es beschäftigte ihn aber so sehr, dass er einen Schlaganfall bekam. Nach dessen Ausfall sprang Karl Dompert ein und fuhr zur Kolbenfabrik Mahle nach Stuttgart. Man nahm sich sofort seinen Problemen an und der Motor wurde umkonstruiert. Kurze Zeit später lief der Motor einwandfrei.In der Motorenfertigung  
Das bei Hurth in München entwickelte 3-Gang- Getriebe wurde noch während der Erprobungsphase durch ein Vier- Gang- Getriebe ersetzt. Das verschaffte dem Fahrzeug das nötige Abzugsvermögen, das das Fahrzeug auch beim Rennsport in den Alpen berühmt machte.
Für die Karosserie entstand in der eigenen Schreinerei ein Holzmodell. Zuerst wurden drei Prototypen mit Fronttür gebaut (siehe dazu "Sonstige Fahrzeuge – Prototypen"). Karl Dompert wollte um Werkzeugkosten zu sparen nur zwei Seitenteile entwickeln und diese dann über Kreuz für vorn und hinten verbauen. Bei der preiswerten Fronttürlösung befürchtete er aber Patentstreitereien mit den Italienern. Man zog Schorsch Meier zu Rate und an einem Montag morgen fanden die Mitarbeiter der Versuchsabteilung ein großes Loch auf der rechten Seite des Fronttür-Goggos. In einer langen Nacht hatten Anderl Glas, Karl Dompert und Schorsch Meier darüber beraten, was wohl die sinnvollste Lösung für das Goggomobil sei und haben dabei den seitlichen Einstieg gemeinsam festgelegt. Nach Rücksprache mit der Kalkulationsabteilung, die die Herstellungskosten streng überwachte, bekam das Goggomobil dann zwei Einstiegstüren.

In der Konstruktion waren drei Mitarbeiter für Karosserie, Innenausstattung, allgemeineDas Konstruktionsbüro 1953 Fahrzeugelektrik und Schaltpläne zuständig. Karl Dompert hatte ja zuerst die Bodengruppe für das Goggomobil entwickelt. Dadurch waren Achsabstand und Spur festgelegt. Mit einem Drahtkorb, genannt „ Sitzkiste", wurden dann die Mindestmaße der Karosserie festgelegt. Mit einer selbst angefertigten Messplatte konnten Außenkontur und Anschlüsse exakt ermittelt werden.
Für die ersten Karosserien waren zur Herstellung von Karosserieteilen nur Schablonen und Holzmodelle (Urmodelle), genannt „Cubing", vorhanden. Zeichnungen gab es nur für Prägeteile. Eine Kopierfräse gab es anfangs noch nicht. Sie wurde erst beim Isar eingesetzt. Dach, Heck und Haube waren Streckziehteile. Dabei mussten die engen Rundungen am Dach mit der Flamme erwärmt werden und wurden dann von Spezialisten mit dem Gummihammer nachgearbeitet. Die kleinen Hutzen für die Scheinwerfer auf der Haube wurden aufgelötet. Später wurde die Haube zum Tiefziehteil.
Die Streckziehpresse hatte der damalige Werksleiter, Herr Kessler, von der Flugzeugindustrie besorgt.
Windschutzrahmen und Rahmen für Seitenfenster sind Prägeteile und wurden im Rohzustand verschweißt. Später wurden die Teile geheftet und eine Rollschweißung durchgeführt. Die Rollschweißmaschine wurde von Herrn Bauer aus mehreren Bohrmaschinen selbst gebaut. Seitenteile und Kotflügel, waren bereits Tiefziehteile.

Lackierung in der Brennkammer in EinzelteilenAlle Teile wurden anschließend einzeln entfettet und lackiert. Zu Beginn gab es aus Rationalisierungsgründen nur einen einzigen Farbton, nämlich Saharabeige. Die Teile kamen anfangs in die Brennöfen, wo auch die Rollerteile getrocknet wurden. Die Endmontage fand in der Halle statt, wo bisher die Roller gebaut wurden. Dazu war es notwendig, einen genauen Plan zu erstellen, wann die Rollerproduktion ausläuft. Man konnte damals nur einen Typ auf dem Band fertigen.
Das Montageband ist selbst entwickelt und gebaut worden. Bereits 1953 wurde im Lexikon der Kraftfahrindustrie aus dem Bertelsmannverlag das fortschrittliche Montageband der Rollerproduktion vorgestellt.
Auf die Bodengruppe wurden Vorderbau und dann Hinterteil aufgeschraubt. Anschließend wurden Radhäuser und Kotflügel montiert. Die Teile wurden alle mit einem Keder verschraubt, wie er auch beim VW eingesetzt wurde.
Die Einzelteile des verschraubten Goggomobil. Zeichnung von Herrn PatronIn den Türen waren anfangs keine Verkleidungen montiert. Es wurden auf die Innenseite des Bleches der Türen und des Dachbereiches farbige Textilflocken aufgespritzt. Dies führte zur Verärgerung der Kundschaft, da sich nach kurzer Zeit die Flocken lösten und sich auf ihrer Bekleidung wieder fand. Man entschloss sich in den Türen eine primitive Pappe einzulegen. Als die Kurbelfenster die Schiebefenster ablösten, wurden die Türverkleidungen zum dritten Mal umkonstruiert. Türschloss und Türkeil waren anfangs von Happich und wurden später auf ein moderneres Schlossystem von Tack und Gabel aus Wuppertal umgestellt.
Die ganz einfachen Sitze hatten zum besseren Einstieg bereits klappbare Rückenlehnen, hinten gab es jedoch nur eine Notsitzbank, die ziemlich hart war.
Die ersten Felgen stammten noch vom Roller. Stoßstangen und Radkappen waren anfangs nur lackiert. Die voll abdeckenden Radkappen der Felgen sprangen bei jeder Bordsteinberührung ab und gingen oft verloren. Also änderte man Felge und Radkappe auf die bis zum Schluss bekannte Form.

Die Türverkleidung war am Anfang leicht beflocktDie vielen Kompromisse zu Beginn der Fertigung hatten jedoch eine Ursache. Hans Glas hatte monatlich genau festgelegt wie viel Geld Karl Dompert mit seinem Team für die Entwicklung des Goggomobils ausgeben durfte. Der Serienanlauf war für November 1954 festgelegt. Doch durch die vielen Rückschläge bei der Motorenentwicklung, die Umstellung von 3-Gang auf 4-Gang-Getriebe und die Umkonstruktion von Fronttür auf zwei Seitentüren haben den Terminplan völlig durcheinander gebracht. Hans Glas drängt jedoch auf den Serienbeginn, da zwischenzeitlich das Geld ausgegangen war. Er überbrückte die Finanzschwierigkeiten mit Sonderrabatten bei Sämaschinen, wenn diese in der Winterzeit sofort bezahlt wurden.
Karl Dompert stellte zwischenzeitlich einen Plan auf, wie man kurzfristig den Serienanlauf schaffen konnte. So wurde der Einsatz von Schweißmaschinen erst nach den Werksferien 1955 geplant. Von den ersten verschraubten Fahrzeugen wurden ca. 1.000 gebaut. Nach Einsatz der Schweißmaschinen war der Weg für eine rationelle Fertigung und die Steifigkeit der Karosserie frei.
Die zu Beginn verwendeten Lüftungsgitter vom VW Käfer an den Seitenteilen wurden gleich zu Beginn durch zwei Kappen („Ohrwaschel") zur besseren Luftzufuhr des Motors ersetzt. Erst im Herbst 1956 bekamen sie die endgültigen Lüftungsschlitze.
Endmontage 1955 man beachte die verschraubten TeileDie ersten Fahrzeuge hatten eine sehr schlechte Fertigungsqualität und viele Kinderkrankheiten an den verschiedensten Teilen. Dies führte dazu, dass die ersten Fahrzeuge bald von der Bildfläche verschwanden. Heute existieren aus dem ersten Produktionsjahr wohl kaum mehr als eine Handvoll Fahrzeuge. „Wir hatten doch keinerlei Erfahrung als wir vom Landmaschinenbau unser erstes Automobil entwickeln mussten" sagte Günter Patron.
Aber die Konstrukteure sowie die Fertigungsmitarbeiter lernten schnell und laufend wurden die Fahrzeuge weiterentwickelt. Zu Beginn sah kaum ein Fahrzeug aus wie das andere. Die großen Änderungen in 1957 wurden werbewirksam in Prospekten und der Presse ausgeschlachtet.

Diese konsequente Weiterentwicklung und die richtige Entscheidung die Fronttür durch zwei Einstiegstüren zu ersetzen führten dazu, dass das Goggomobil zum erfolgreichsten Kleinwagen der Nachkriegsgeschichte wurde. Die Presse verfolgte in ihren Testberichten sehr wohl die Anstrengungen des Werkes und honorierte die Bemühungen in ihren Testberichten.
Für die Firma GLAS war das Goggomobil neben der höchsten Stückzahl auch mit einer Produktionszeit von 1955 bis 1969 das am längsten gebaute Fahrzeug.
Uwe Gusen


 Die Montage 1956                                       Vorserienfahrzeug