Im Juni war es wieder so weit. Bereits das Vorprogramm am Freitag veranlasste zwei Busladungen mit Teilnehmern zu einer frühen Anreise. Eben jene Busse karrten uns nach Baunatal, wo uns eine gut zweistündige Führung durch das dortige Volkswagen-Werk erwartete. Mit zunehmender Annäherung erhöhte sich die Dichte der Käfer-Skulpturen zur Einstimmung.
Viele Damen genossen derweil einen Bummel durch Bad Arolsen mit Kaffeetrinken bei Rügers Porzellanladen oder die Wellness Angebote des Hotels. Bis zum Grillbuffet am Abend war die 117 Teams umfassende Teilnehmerschar fast vollständig. Über die teilweise staugeschwängerte Anreise tröstete das reichhaltige leckere Angebot der Küche wohltuend hinweg. Erst ein kleines Abendgewitter ließ das Hotelpersonal uns GLAS Club-Schäfchen ins sichere Trockene treiben.
Da gab es ja auch noch die Bar in der Scheune – aber das Thema will ich nicht weiter vertiefen…
Feuerwehr war uns Wurst
Anbetracht des Vorabends fiel es schon nicht leicht, so früh aufzustehen, aber der Teilemarkt um 8.30 Uhr verlangte rechtzeitige Bettenflucht. Die anschließende Ausfahrt führte uns in Doris´ Heimatort Westuffeln, wo wir bei der örtlichen Feuerwehr zu Gast fahren. Einer von Doris‘ Spielkameraden aus Kindertragen ist Metzger geworden und gab Teilnehmern und Publikum Gelegenheit zur Stärkung.
Hier hatten wir ausreichend Zeit, von Auto zu Auto zu gehen, zu fachsimpeln und zu plaudern. Das hat uns überhaupt recht gut gefallen: reichlich Zeit, Kontakte zu pflegen und neue zu knüpfen. Es war entspannt, ohne Hetze von Programmpunkt zu Programmpunkt zu cruisen und sich mit vielen liebgewonnenen GLAS-Clubbern in Gespräche vertiefen zu können.
Platzreservierung in Kassel
Im Briefing hatte Uwe über die Einfahrt nach Kassel gesprochen von „eigentlich ganz einfach“. Nur dass dem bewährten Rosenheimer Abbiegesystem mitten in der Stadt bauliche Grenzen gesetzt sind und keine Anhaltemöglichkeiten gegeben waren. Also nach Roadbook fahren. Immer geradeaus bis zu einer Kirche, die aber als Kirche schwer erkennbar sei. Dort sollten sich die Wege je nach Startnummer trennen. Ich stierte mir die Augen aus dem Kopf. Da! Kirche! Jetzt geradeaus! Hat sich jemand verfahren? Mir ist nichts zu Ohren gekommen.
An exponierter Stelle auf dem Kasseler Friedrichsplatz präsentierten wir unser rollendes Museum. Wir standen auf einem der größten innerstädtischen Plätze Deutschlands. Rechts lockte die Fußgängerzone zu einem Stadtbummel, links lud die idyllische Karlsaue, ein riesiger Park, zum Spaziergang und Verweilen ein. Wir Frauen verwarfen einen flüchtigen Gedanken an Schuhgeschäfte und schlugen mit unseren Männern lieber den Weg gen Café am Park ein. Die letzte Mahlzeit war schon eine Ewigkeit von mindestens zwei Stunden her. Verhungern könnte man. Wo ist die Kuchentheke?
Schlossakkord
Die Rückfahrt war „eigentlich ganz einfach“. War das Ortsausgangsschild erst einmal erreicht, ging es nur noch geradeaus. Dann einmal „lechts“ oder „rinks“ oder wie war das noch?
Kassel und Umgebung sind nicht plattes Land wie bei uns zuhause in Dithmarschen. Es kommen auch schon einmal Steigungen vor, die eine Herausforderung für Goggos mit zornigen 13,6 PS darstellen. Habe ich es geträumt oder hieß es gerade im Radio-Verkehrsstudio „Stau in Kassel Wilhelmshöhe“. Der Goggofahrer an der Spitze hätte sich gewiss gefragt „Stau? Vor mir ist doch alles frei!“ Aber alle trotteten geduldig achteran ohne hektische Überholversuche.
Nach und nach trudelten die GLAS- Perlen wieder in Bad Arolsen ein. So sehr die Tiefgarage auch lockte, jetzt galt es, sich zum großen Schlussakkord auf dem Schlosshof aufzustellen. Wie auch schon in Kassel kamen unsere Ölpappen zum Einsatz, damit ja keine unliebsamen Spuren von unserem Besuch zeugen würden. Ihr ahnt nicht, wie weit Pizzakartons fliegen können. Hinterlistige Windböen fegten die Pappen unter den niedrigsten Autos hervor. Wer sie nicht mit Wasserflaschen oder anderen für Langfinger uninteressanten Gegenständen beschwert hatte, durfte sportlich hinterherjagen. Wo Öl den Wunsch verspürte zu tropfen, hatte es nun reichlich Zeit dazu.
Der Schlosshof war unser publikumswirksamer Parc fermé bis zum nächsten Tag.
Zeitreise
Das Abendessen fand in einem Nebengebäude des Schlosses statt. Rasch wurde mir klar, warum sich so viele Damen und auch Herren relativ früh Richtung Hotel verabschiedet hatten. Da sie in der Maske waren, gab es allerlei feinen Zwirn zu sehen. Hmm. Ich blickte an mir herab. Keine Zeit mehr zum Umziehen. Caprihose und Ringelpullover redete ich mir schön nach dem Motto „ist halt zeitgenössisch“ und ab an den edel gedeckten Tisch.
Wir glaubten alle, in der alten Remise des Schlosses zu speisen, aber weit gefehlt: wir befanden uns in einer Zeitmaschine! Schon die tolle Dekoration mit einem Goggo Coupé nebst gepunktetem Regenschirm hätte uns stutzig machen können. Denn auf einmal kam eine Vier-Mann-Band herein, die handgemachte Musik der 50er und 60er Jahre ohne elektronischen Firlefanz spielte. Kontrabass, Saxophon, Akkordeon und Gitarre sowie Gesang wanderten von Tisch zu Tisch und tauchten uns in die Baujahre unserer Autos.
Eigentlich gab es keinen Platz für eine Tanzfläche, aber wo ein Wille ist, ist auch ein Fleckchen, um dem Bewegungsdrang der in die Glieder fahrenden Rhythmen nachgeben zu können. Für Rock‘n Roll war Raum genug, auf Wurffiguren verzichtet Reiner schon seit Jahren aus Rücksicht auf seinen Rücken und meine von stets großem Appetit geprägten Dimensionen. Nun war ich froh, auf elegante Kleidung verzichtet zu haben. Der Band war dies eine willkommene Bestätigung und Minuten später kniete Mr. Saxophon mit schmachtender Melodie vor mir. Ich schmolz dahin. Bei der nächsten Runde wurden wir zum Twist genötigt, den Reiner einfach perfekt beherrscht.
Die Rhythmen hatten auch vor Rudas und Jefs Gebeinen nicht Halt gemacht, denen anzusehen war, dass sie viel, gerne und gut tanzen. Erst ein „nein, nein, nicht!“ von Ruda hinderte Jef daran, seine zierliche Frau wie vor zig Jahren akrobatisch durch die Luft zu wirbeln. In diesem Moment war er allenfalls Mitte zwanzig. Als der Auftritt der Band zu Ende war, alterten wir wieder zurück ins Jahr 2019. Der Rückweg ins Hotel führte allerdings an der Scheune mit der Bar vorbei...
Pflicht und Kür
Sonntags schläft man aus. Normalerweise. Nicht als Teilnehmer des GLAS Club-Jahrestreffens. Mitgliederversammlung um 8.30 Uhr, Alternativprogramm Schlossbesichtigung. Die meisten hatten ihre Fahrzeuge über Nacht im Schlosshof stehen lassen, der inzwischen wieder der prallen Sonne preisgegeben war. Hat sich jemand in ärmellosem Hemdchen und kurzer Hose auf schwarzes Leder oder gar originalgetreues Kunstleder zu setzen versucht? Vergesst es!
Bis mittags hatten die Sonntagsausflügler der Umgebung Zeit, sich unsere mobilen Schätze anzusehen. Ein paar toleranterweise geduldete Fremdfabrikate aus dem Hause Mercedes oder Porsche ernteten ein „den kenn ich“, was bei der Clubmarke GLAS nicht immer der Fall sein konnte. Das Durchschnittsalter der Besucher hätte dafür höher liegen müssen. Einige von uns stellten sich geduldig dem Fragenbombardement des Publikums und sabbelten sich Fransen an den Mund.
Nach Suppenstärkung im Hotelgarten begann die Rundfahrt durch den Reinhardswald. Eine idyllische Strecke führte uns zum urigen Hofgut Stammen. Unmittelbar am Flüsschen Diemel gelegen, kredenzten uns die Wirtsleute hausgebackenen Blechkuchen und Kaffee und WASSER! Hochsommerliche Hitze hatte uns ein wenig neidisch auf Cabriofahrer blicken lassen. Auch eine auf der Diemel mühselig voran paddelnde Kanufahrerin rief uns zu „ich wäre jetzt bereit für kühle Getränke“. Wieder gab es Gelegenheit für ausgiebige Pläuschchen.
Das Rosenheimer Abbiegesystem wurde für die Rückfahrt zum Hotel allerdings wieder unterlaufen von verfrüht Aufbrechenden. Als Beifahrer bedeutet dies also: Kein entspanntes Zurücklehnen, bis ein richtungweisender parkender GLAS den Weg weist, sondern Roadbook lesen, gegebenenfalls denken und ansagen. Wer von Euch gibt die Nutzung seines Navi zu?
Letzter Abend
Kann das angehen? Schon war der Abschlussabend gekommen. Dabei waren doch etliche Bekannte noch ‚unbeplauscht‘ geblieben. Bei 117 Teams aus acht Nationen von A (Austria) bis U (USA) reichen die Pfingsttage einfach nicht. Heute galt es, Ehrungen vorzunehmen, inklusive der zweifelhaften Ehre, die riesige Kuhglocke als Pechvogel der Veranstaltung in Empfang nehmen zu dürfen. Ausgerechnet eine erstmalige Teilnehmerin hatte es getroffen. Ihre humorvoll gelassene Schilderung des Grunds für diesen Ehrenpreis offenbarte: wir haben einen netten Menschen mehr im Club! Herzlich wurde auch das 1000. Mitglied begrüßt.
Dass der Club eine liebenswerte Familie ist, spiegelt sich auch in mehreren Ehrungen für jahrzehntelange Mitgliedschaft wieder. Ein liebenswerter Club mit dem liebenswerten Präsidenten Uwe Gusen, der zusammen mit seiner Frau Doris auch der Organisator dieses Treffens war. Wer federführend war, kann man nicht sagen, denn beide kümmerten sich mit der gleichen Leidenschaft um uns Gäste. Uwe stand zwar stets in vorderster Front für das Briefing, aber nicht ohne sich abschließend mit Blick zu Doris zu vergewissern „hab‘ ich was vergessen?“ – wohltuend menschlich.
Für 2020 ist das vierköpfige Berliner Organsisationsteam des Angläserns an der Reihe, das Jahrestreffen auf die Beine zu stellen. Uns erwartet ein interessantes Programm mit einer Sternfahrt als Prolog.
Pfingstmontag, Tag der Abreise. Wer eine lange Reise vor sich hatte, musste auf den Nachschlag verzichten, dessen Programm uns bis zum frühen Nachmittag in Kassel hielt. Das Technik- und Henschel-Museum in den Hallen des ehemaligen Henschelwerks bot einfach alles aus 300 Jahren Technikgeschichte von der Dampfmaschine bis zum Transrapid.
Erschütternd war nur, dass sich etliche Exponate als ganz geläufige Gebrauchsgegenstände unseres eigenen ehemaligen Alltags entpuppten. Der 45 Jahre alte Taschenrechner meiner Oberstufenzeit liegt auch bei uns zuhause, dort allerdings ganz profan in einer Schublade. Dessen Vorläufer, der Rechenschieber, stellt für Besucher unter 60 gewiss ein Buch mit sieben Siegeln dar. Vor 50 Jahren waren wir die letzte Schulklasse, die in die Geheimnisse seiner Nutzung eingeweiht wurde. Obwohl ich langsam in das Alter komme, in dem das Langzeitgedächtnis deutlich leistungsfähiger ist als das für Kurzzeit, geriet ich arg ins Grübeln – wie funktionierte das noch? Ach, egal, dahinten kommt die Eisenbahnabteilung in Originalgröße.
Am Ende der Halle wartete zum Abschied ein gar nicht mal so kleines Buffet mit Blechkuchen und leckeren Schnittchen, bevor sich die letzten Teilnehmer auf den Heimweg machten.
Liebe Doris, lieber Uwe, vielen herzlichen Dank für das gemütliche Familientreffen! Auf Wiedersehen in Potsdam 2020!
Andrea Bräuer-Bercx