60 Jahre Goggomobil, 50 Jahre Glas V8 und 125 Jahre Hans Glas

  Helmut Holzmayr berichtet von seiner Reise zum grossen Treffen

Goggos soweit das Auge reicht

Donnerstag, 21.05.2015, 16.15 Uhr in einer Tiefgarage in Bad Reichenhall

Mit etwas Grummeln im Bauch gehe ich in die Garage, weil ich meinen kleinen Schneeball nach langer trockner Standzeit in das verdammt nasse Wetter herausholen muss.

 

Als ich ihm jedoch erzähle, dass es in seine Geburtsstadt zu einer Tripleparty geht und er einer der Hauptakteure sein wird, scheint es, als würde er mich anlachen und sagen: „Hey was stellst Dich an, das Wetter ist mir egal, da müssen wir hin! Schließlich war die Idee als ich geplant und gebaut wurde, dem Motorradfahrer ein Dach über dem Kopf zu geben! Also mach los!“

In den Startlöchern

Mal ehrlich, was anderes hätt‘ ich von dem Kleinen auch nicht erwartet!! Das Gepäck, peinlich genau auf Lightweight ausgewählt, ist verstaut. Zusätzlich dazu habe ich mich rasiert und legte noch einen persönlichen Boxenstopp ein.

 

Atlas aus vergangenen Zeiten
Ausgestattet mit zeitgemäßem Routenplaner ,mit dem ich mir die Reise auf kleinen Straßen zusammengestellt habe, konzentriere ich mich nochmal, schiebe den Kleinen in Position aus der Parklücke, steige ein und – Start the engine! -

Ein langezogenes RRRRRRRRR, ein kurzer Gasstoß und die Maschine kreischt auf: „Ready for race!“

Wir verlassen die verrauchte Tiefgarage hinaus ins Sauwetter.


Beim Tankstopp prüfen wir gleich nochmal den richtigen Luftdruck
, damit wir die richtige Bodenfreiheit haben, falls uns ein Igel, ein Küken oder anderes Kleingetier über die Straße laufen sollte und wir gleichzeitig nicht die Watttiefe der Spurrillen unterschreiten.

Jetzt geht es wirklich auf die Piste!

Schnell erreichen wir bei geringer Flughöhe unsere Reisegeschwindigkeit von ca. 65 km/h.

Nach vielen Aufs und Abs, Kreuz und Quers auf den kleinen Straßen, einem schönen Umweg um Neumarkt St. Veit, zwei Pinkelpausen und einem „Verfranser“ kurz vor unserem Gasthofdorf kommen wir gegen 22 Uhr an.

Der Kleine strahlt über die ganze Front über die schöne Leistung, strahlt aber noch mehr und ich habe den Eindruck er bläht ein bisschen die Kotflügelverbreiterungen, als er das süße hellblau / weiße Goggo Coupé, welches festgebunden auf einem Anhänger auf unserem Parkplatz steht, entdeckt hat.

Mit dem Satz: „Na!, dann flirt` mal schön und eine gute Nacht!“ verabschiede ich mich ins Zimmer.

Freitag, 22.05.2015


Ich traue meinen Augen nicht! Der Kleine ist ja ganz schön frech und dabei sichtlich erfolgreich!

Zentrum des Treffens ist die Eissporthalle und die Sportanlage von Dingolfing.

Als wir gegen 10 Uhr die historische Manege befahren, ist bereits ein Viertel des Stadionbogens mit verschiedensten Glas Automobilen gefüllt.

Der ARD Reporter wuselt herum, filmt und nimmt ein Interview mit einem 1.90 m Mann, der sich dann demonstrativ in seine Goggo Limousine windet. Der kleine Film ist auf www.br.de zu sehen.(Anm. Der weiße Goggo im Hintergrund - das ist der meine!!)

Im Laufe des Treffens werden es ca. 460 Fahrzeuge werden.

Meine Nachmeldenummer ist schon die 380!

Darunter seltenste Stücke, wie Goggomobil TL Transporter Pickup, Goggomobil Furguneta aus Spanien, ein polnischer Goggomobil „Nachbau“, Goggomobil Dart aus Australien, dessen SchöpferBill Buckle im Alter von 89 Jahren (geb. 1926)sich diese Feier nicht entgehen lässt und anwesend ist!!

Das Organisationsteam des GFG (Goggo und Glas Fahrer Gemeinschaft) um Jürgen Kraxenberger herum hat sich einiges zur Bespaßung der verglasten Teilnehmer einfallen lassen.

Da die Werksführung bei BMW seit Monaten restlos ausgebucht ist, haben wir heute ein alternatives Programm bekommen. Museumsbesuch bei Jürgen Kraxenberger www.carhistory.de und eine Miniführung durch das Industriemuseum Dingolfing.

Meinereiner und der Goggo als Neuankömmlinge bei einem reinen Glastreffen kontakten viele Gleichinfizierte und leben uns schnell ein.

Wir nutzen die restliche freie Zeit um die liebevoll, detailreiche und sehr informative Glasausstellung in der Eislaufhalle zu bewundern.

 

   

    

Es werden alle je gebauten Glastypen vom Roller, die Goggomobil-Serie, die 04er Reihe, 1700er, die GTsbis zum V8, z.T. in Rennsport-, Strand-, Marktszenen gezeigt. Beim ruhigen Verweilen fallen mir hier und dort immer mehr Deko-Kleinigkeiten auf. Die typische Handschrift von Asmus Peter!

Der Abend klingt mit einem gemütlichen Zusammensein in der grandios dekorierten Festhalle aus.

Zurück beim Hotel muss mein kleiner Weißer feststellen – die Konkurrenz schläft nicht!

Drei weitere Goggo Limos haben sich um das hübsche Coupé geparkt. Aber der Platz daneben ist frei!! Nicht lange!!

Samstag, 23.05.2015

Ein gutes Frühstück für mich und den Kleinen rüsten für den Tag.

Die Wetterlage ist stabil, bedeckt, mit wenig Niederschlägen am Tag, dafür Regen in der Nacht.

Tendenz zur Besserung.

Heute ist ein Teilemarkt geplant. Schnell füllt sich das geschichtsträchtige Station (1954 bekamen dort die siegreichen Mannen der Fußballweltmeisterschaft in Bern von Hans Glas einen großen Empfang und jeweils einen Goggo Roller geschenkt!) mit Goggos, Glasen, Ständen und vielen Besuchern. Fast das ganze Oval ist ein einziges buntes Farbenmeer.

 

 

In Reih und GliedWelch` schöner Anblick! Bei den heutigen tristen, modernen Trendfarben, richtig erfrischend!

Gegen 17 Uhr kehre ich zurück zum Gasthof Sigle, um mir bis zum Festabend ein kleines Nickerchen zu gönnen.

Ausgeschlafen machen wir uns auf den Weg zurück zum Fest. Als freundlicher, rücksichtsvoller Goggofahrer lasse ich ein kleines Reh und eine Maus über die Straße, als sie hastig aus dem Gebüsch auftauchen.

Die Ansprachen, Interviews, kleinen Anekdoten über Firma Glas, gehalten / erzählt von den Bürgermeistern von Dingolfing und Pilsting, sowie Antonia Glas, Konrad Auwärter und Jürgen Kraxenberger waren sowohl interessant, als auch lustig.

Das Fest ist gelungen! Ein tolles Buffet, Blasmusik und viel, viel Gesprächsstoff sorgen für Kurzweiligkeit. Aber nicht genug! Vor der Halle bin ich zu einer Gruppe „frische-Luft-schnappender-Raucher“, unter einem Partyzelt gestoßen, wobei der Kontakt mit Blödelei, lockeren Sprüchen und viel Lachen gleich geschlossen wurde. Ein schöner Zufall war es, dass in der Gruppe ein Teil der anwesenden Familie Glas dabei war. Gegen 3 Uhr war ich mit Bauchmuskelkater wieder in meiner Unterkunft.

Sonntag, 24.05.2015

Später als die Tage zuvor bin ich zum Frühstück erschienen.

Etwas zögerlich die Nahrungsaufnahme und eine sehr geringe Grunddrehzahl.

Meine Eiskugel steht schon putzmunter bereit und scheint leicht umherzutrippeln, da er auch schon erfahren hat, dass heute der große Korso durch Dingolfing und eine kleine Rundfahrt in die Umgebung angesagt ist.

Da die Ausfahrt erst um 13.30 Uhr startet, habe ich Zeit bei einem ausgiebigen Besuch des Industrie- und Heimatmuseums Dingolfing wach zu werden.

Gegen 13 Uhr beginnt die typenreine Aufstellung im Stadion. Erst die Goggomobile- Coupés, Limos, Transporter und Isars, dann die Glas 04 Serie - die GTs - die V8er.


Als sich ca. 440 Fahrzeuge, davon ca. 2/3 Goggos endlich in Bewegung setzen, dauert es nicht lange, dass Dingolfing so richtig vernebelt wird. Tausende Zuschauer lassen sich davon nicht abhalten, die Jubiläen mitzufeiern und den Zweitaktduft und –sound zu genießen. Sie säumen den Weg, winken, lachen uns zu und freuen sich über ein kleines Hupkonzert als Dank!

Das absolute Highlight für mich und meinen, und allen anderen Goggos, war die Durchfahrt des ehemaligen Glas, jetzt BMW Werksgeländes. „Die Geburtsstätte der Glasfahrzeuge.“

 

Veraltungsgebäude
Vorbei an dem noch bestehenden Verwaltungsgebäude hüpft des Kleinen Motörchen und mein Herz vor Freude. Als lange bleibender Dank wird auch das Werk mit einer Zweitaktduftwolke eingehüllt.

So wie die kleinen bunten Knöpfe durch die Straßen und die Werkshallen aufgeregt schießen, hat man fast das Gefühl, man sei in einer Spielzeugfabrik mit schnellen Produktionsbändern.

Auf die große Runde ins Umland habe ich verzichtet und ziehe mich zur Zeitüberbrückung in den Gasthofauf einkleines Nickerchen und eine erfrischende Dusche zurück.

Der Abend steht unter dem Motto „Zurück in die 50er, 60er Jahre“.

Viele der anwesenden Damen und Herren sind in zeitgemäßer Kleidung (Petticoat und Anzug) gekleidet. Das Musikquartett bringt mit dem Sixties-Sound ordentlich Schwung in die Halle.Dazu gibt’s flotte Sing- und Tanzeinlagen.

Spät nachts zurück im Gasthof merkte mein Goggomobil, dass Abschied naht. Das hübsche Coupé steht schon wieder festgezurrt im Shade of Grey auf dem Hänger. Ich stelle meinen Weißen in kleinem Abstand dazu ab. Wie ich weggehe, meine ich ein kleines Zwinkern zwischen dem Beiden bemerkt zu haben. Na ja ich bin müde! „Gute Nacht Euch zwei!“ sage ich leise.

Montag, 25.05.2015

Nach einem etwas längeren Schlaf, begebe ich mich zum Frühstück, um den Tag gemütlich zu beginnen. Ausgecheckt und das Gepäck verstaut, starte ich den Zwerg.

Oh! Oh! Goggo! Dem geht es gar nicht gut!! Der Parkplatz daneben ist leer! Die Kleine wohl schon auf dem Heimweg!

Erst nach sanftem Gasgeben wird aus dem gurgelnden RRRRRRRRRRRRR ein fröhliches ÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖ! Wir starten zur Abschlußfahrt nach Pilsting!

Die Sonne scheint, es ist fast keine Wolke am Himmel.

Auf dem Sportplatz treffen wir schon alte Bekannte und stellen uns zur gemeinsamen Abfahrt auf.

Wieder in fast sortenreiner Kette schlängeln sich die Glasfahrzeuge durch die Lande nach Markt Pilsting, dem Geburtsort von Hans Glas.


 

Als ich dort vor der Einfahrt in den Ort von einer bezaubernden Dame im Dirndl Unterlagen überreicht bekomme, muss ich schon feststellen: „Klasse, dass der  Goggo serienmäßig tiefer gelegt ist!“  -Wie ich erfuhr, hat sich die Dame später nur noch hingehockt - vermutlich Ihrem Kreuz zuliebe!

 

 

 

Familie Glas ist fast jeden Tag bei der Tripl Geburtstagsparty mit dabei.

 


Rund 90 Goggomobile
bilden auf dem langen Marktplatz die Dekoration für den Festakt zur Enthüllung des Hans Glas Denkmals zu seinem 125 jährigen Geburtstag.

Nach Musik und Reden geht es zu Fuß ein paar Gassen weiter zum Geburtshaus und der ersten Werkstätte der Firma Glas im Jahre 1908. Davor ist’s schön dekoriert mit Glasprodukten von der Sämaschine bis zum V8. Daneben wird eine Gedenktafel am Geburtshaus enthüllt.

Durch einen Vortrag über den Werdegang der Firma Glas und der Industrie von Pilstingerfahren wir viel Interessantes.

Markt Pilsting hat die Festteilnehmer zum Abschluss noch in das Pilstinger Festzelt auf eine Brotzeit eingeladen, die wir gerne annehmen.

Denkmal Hans GlasGegen 13 Uhr löst sich die Gruppe der Glasfahrer langsam auf. Ich drehe meine Runde um mich zu verabschieden und dem Veranstalterteam nochmal „Danke!“ zu sagen.

Gegen 14 Uhr bekommt der Schneeball seinen Proviant und unter Vorausberechnung, wie viele Boxenstopps ich voraussichtlich nach einer Maß Radler einlegen muss,starten wir in Richtung Süden.

Auf der direkten Linie –Staatsstraße2111 und der 299er fahren wir flott voran.

Bei Neumarkt St. Veit sind wir wegen einer Umleitung wieder auf kleine Straßen gekommen, wo sich der weiße Quirl richtig wohl fühlt. Direkt durch kleine Weiler, Wälder über die Felder. Es fehlte nur noch, dass wir durch einen Hühnerstall hätten müssen.

Ab Altötting auf der 304er war es ein angenehmes Vorankommen, der Motor brummt, der serienmäßig eingebaute Massagesitz (und das schon vor über 50 Jahren!!) ist zwar nix für kleine Blasen, aber sonst echt angenehm. Was noch wirklich angenehm ist, ist die Tatsache, dass einem ca. 60 % der Geschwindigkeitsschilder völlig wurscht sein können!! Das senkt die Reizüberflutung beim Fahren ungemein!

Was mich aber während der Fahrt reizt, sind die netten Fahrbahnmitbenutzer, die durch ihren Kuscheltrieb und das penetrante Befüllen meines Rückspiegels mit ihren Markenlogos, in mir den Wunsch nach einer „James Bond Ausstattung“ wachsen lassen.

Nichts destotrotz kommen wir wohlbehalten und fast trockenen Reifens um ca. 17 Uhr mit vielen tollen, neuen Eindrücken von einer erlebnisreichen Geburtstagsparty in der Heimatgarage an.

Tags darauf erreicht mich eine Mail vom Besitzer des kessen GoggoCoupés mit der Rückmeldung, dass die Kleine recht zickig ist und er sich nicht erklären kann warum! Ich denke bei mir: „Was hat der Kleine da bloß wieder angestellt!?“

Ein paar Wochen Später wussten wir warum!!

 

Oh! Oh! Goggo!

Helmut Holzmayr

Car Crazy! - Aus Leidenschaft zu dem Modell Auto! -