Die Übernahme
Am 10. November 1966 übernahm BMW die Firma GLAS
Mit dem Start der Goggomobil Produktion ging es zuerst weiter aufwärts mit der Hans Glas GmbH in Dingolfing. Bereits mit den Goggo Rollern hatte das Familienunternehmen nach dem Zweiten Weltkrieg ein zweites Standbein neben der rückläufigen Produktion der Landmaschinen erreicht. 1957 wurde mit ca. 43.000 Goggomobilen die höchste Produktionszahl erreicht. Die Automobilindustrie schaute auf das kleine Autowerk in Niederbayern und die Politiker wünschten sich von GLAS eine Übernahme der BMW AG und DKW.
Diese beiden Unternehmen waren mit ihren Vorkriegsentwicklungen in den fünfziger Jahren wirtschaftlich nicht besonders erfolgreich. Doch letztendlich scheiterte die Übernahme am geringen Eigenkapital der Firma GLAS. Die beachtlichen Umsätze (1959 waren es 170 Millionen DM) flossen immer umgehend in die Entwicklung neuer Fahrzeuge und in die Produktion.
Der Einbruch bei GLAS kam 1959, als sich die Goggomobilproduktion auf ca. 22.500 Fahrzeuge halbierte und das neue Aufsteigermodell Isar mit erheblichen technischen Problemen am Markt zur Unzufriedenheit der Kunden beitrug und hohe Gewährleistungskosten verursachte.
Hans und Andreas Glas und Cheftechniker Dompert erkannten, dass sie einen Partner brauchten um die anstehenden Probleme zu lösen. Verhandlungen mit Ford, VW und anderen Firmen kamen zu keinem positiven Ergebnis, da z.B. VW aus dem Werk seine Entwicklungsabteilung aufbauen wollte. Damit wären die GLAS Fahrzeuge vom Markt verschwunden und viele Massenentlassungen der Mitarbeiter unumgänglich. Hans Glas achtete immer auf seine Mitarbeiter und wollte nicht durch solch eine Aktion über viele Schicksale Dingolfinger Familien entscheiden.
Man beschloss also die Flucht nach vorne und ließ eine immer größere Modellpalette entwickeln. Doch alle Versuche halfen nichts und die Produktionszahlen gingen bei jedem Modell nach unten und die finanzielle Situation besserte sich nicht trotz höherer Umsatzzahlen. Zu viele Modelle waren kurzfristig mit allen Problemen einer Neueinführung auf den Markt gekommen.
In München-Milbertshofen war die BMW AG 1959 gerade noch an der Übernahme durch die Daimler-Benz AG davongekommen. Dies hatten Kleinaktionäre verhindert. BMW konnte mit dem BMW 700 und anschließend mit der „Neuen Klasse" die entscheidenden Weichen stellen und erlebte ab 1962 einen rasanten Aufschwung, so dass die Produktionskapazitäten bald nicht mehr ausreichten.
Der legendäre Schorsch Meier, ein persönlicher Freund der Familie Glas, kannte die Situation in beiden Werken und vermittelte im April ein Gespräch zwischen GLAS und BMW. Die in den folgenden Monaten anstehenden Verhandlungen blieben der Presse nicht unbekannt. Im August berichteten die Zeitungen von Übernahmeverhandlungen durch BMW. Dies führte dazu, dass zu der allgemein rückläufigen Konjunktur in 1966 die Kaufinteressenten von GLAS Automobilen stark verunsichert wurden. In den folgenden Monaten konnten kaum noch Autos verkauft werden.
Bei den Verhandlungen war BMW zuerst nur am Werk Landshut interessiert, da es näher an München lag. Karl Dompert konnte aber die Interessenten überzeugen, dass Dingolfing die bessere Wahl war. Schließlich konnte man sich einigen und am 10. November 1966 wurde in der Versandhalle des Dingolfinger Werkes vor der versammelten Belegschaft die Übergabe an BMW verkündet. Die Leitung des Werkes sollte weiterhin in den bewährten Händen von Andreas Glas und Karl Dompert bleiben.
Der Freistaat Bayern hatte mit einer Staatsbürgschaft von 50 Millionen DM an BMW dazu geholfen, die 4.000 Arbeitsplätze in der Region zu sichern.
Da BMW zugesagt hatte, alle GLAS Fahrzeuge weiter zu bauen, schickte der neue Eigner seine Qualitätsingenieure nach Dingolfing um die Qualität bei allen Wagen zu erhöhen. Dies war bei teilweise improvisierten Fertigungsverfahren dringend notwendig. Parallel dazu setzte die Marketingabteilung eine sehr große Werbecampagne auf: „GLAS Automobile kommen jetzt von BMW." Damit wollte man das verlorene Vertrauen der Kundschaft zurückgewinnen.
Doch der Absatz blieb weiterhin schleppend. Ganz im Gegenteil war das bei den BMW Fahrzeugen. Der neue BMW 1600/2 war auf den Markt gekommen und schlug sensationell ein. Die Produktion platzte aus allen Nähten. Weiterhin plante man neue Modelle. Dies führte letztendlich dazu, dass im Oktober 1967 das Produktionsende aller GLAS Fahrzeuge beschlossen wurde. Noch Anfang des Jahres hatte man sich redlich bemüht, deren Produktion zu forcieren oder eventuell neue Modelle unter dem Namen GLAS auf den Markt zu bringen... – doch die Ereignisse überschlugen sich.
Karl Dompert bekam den Auftrag, das Werk zur Lieferung von Fahrwerkskomponenten für BMW Fahrzeuge umzubauen.
Um einen Teil der Mitarbeiter zu beschäftigen liefen die Produktionsbänder für das Goggomobil weiter. Das Goggomobil fand immer noch so viele Freunde, dass dessen letztes Exemplar erst am 25. Juni 1969 das Band verließ.
Die Nachfrage nach BMW Fahrzeugen stieg enorm und 1973 wurde in Dingolfing ein weiteres Werk, in dem jetzt die 5er-Modellreihe gebaut wird, eingeweiht. Heute arbeiten ca. 21.000 Menschen am Produktionsstandort Dingolfing und BMW ist zum größten Arbeitgeber der Region geworden.
Uwe Gusen