Eine Chronik
Am 12. Juni 1958 - es war der Geburtstag des Firmengründers Hans Glas - lief das erste Serienmodell vom Großen Goggomobil vom Band. Seit der Vorstellung des nichtfahrbereiten Prototyps auf der IAA 1957 waren gerade neun Monate vergangen. Diese Zeit zwischen Vorstellung und Beginn der Serienproduktion war ausgefüllt mit umfangreichen Umkonstruktionen und Fahrversuchen.
Leider wurden die ersten Wagen in einem noch nicht abgeschlossenen Entwicklungsstadium an die Kunden ausgeliefert. Nach Jahren kostenintensiver Rückschläge und ständiger Verbesserungen lief 1965 das letzte Exemplar als GLAS Isar vom Band. Jetzt endlich hatte er die Reife, die man von Anfang an erwartet hatte.
Doch offensichtlich war seine Zeit abgelaufen, die Kunden wollten ihn nicht mehr. Sie verlangten jetzt nach Wagen, die eine Klasse höher angesiedelt waren.
Hans Glas: "Wer nie verließ der Vorsicht enge Kreise, der war nie töricht, aber auch nicht weise." (Zitat im Spiegel Nr. 21/57)
Mitte bis Ende der 50er Jahre - es war die Zeit, die damals so treffend mit "Wirtschaftswunder" beschrieben wurde - erfüllten das kleine Goggomobil, die Isetta, der Messerschmitt, Maico oder Kleinschnittger, das Fuldamobil oder der Heinkel längst nicht mehr die gestiegenen Ansprüche. Das waren sogenannte Rollermobile, die noch in den automobilen Kinderschuhen steckten und zu sehr an die Anfänge der Motorisierung erinnerten. Man verdiente wieder gut und die meisten wollten sich nun nicht mehr mit der Devise "Hauptsache ein Dach über dem Kopf" zufrieden geben.
Der Schritt zum Volkswagen war allerdings für viele, die sich bisher nur einen "besseren fahrbaren Wetterschutz" hatten leisten können, noch etwas zu groß. Für sie blieben die günstigeren Kosten (Steuern, Versicherung und Benzinverbrauch) ein gewichtiges Kaufargument für ein Fahrzeug der 600 ccm-Klasse.
Hans Glas hatte die Zeichen der Zeit richtig erkannt. In der über den einfachen Rollermobilen entstehenden neuen Fahrzeugklasse waren Zuwachsraten im zweistelligen Prozentbereich zu erwarten. Ein größeres Goggomobil musste also her, denn Glas wollte den sich abzeichnenden Boom nicht allein der Konkurrenz überlassen. Das Selbstvertrauen der Dingolfinger war groß und Erfahrungen im Bau von Automobilen glaubte man genügend gesammelt zu haben. Immerhin hatte man es in den vergangenen Jahren geschafft, sich durch intelligente Entwicklungen und sensationelle Verkaufserfolge in der Automobilbranche Respekt zu verschaffen. Weshalb also sollte man nicht konstruktives Neuland betreten?
So wurde in wenigen Monaten ein völlig neues Fahrzeug auf die Räder gestellt, welches weder technisch noch stilistisch Gemeinsamkeiten mit den bisherigen Goggomobilen aufwies.
Das "Große Goggomobil" war ein: (Zitat: kleinwagen) "Stern am Himmel der neuen 600er Klasse!"
1957, es war auf der IAA, schlug das "Große Goggomobil" wie eine Bombe ein. Mit dieser Neuvorstellung hatte niemand gerechnet. "Der freche Fußtritt gegen das Schienbein der Konkurrenten" (Zitat: auto, motor & sport) ließ die etablierten Mitbewerber plötzlich alt aussehen und die Herzen der potentiellen Kunden höher schlagen.
Für damalige Verhältnisse bot der Wagen ausreichend Platz für vier Erwachsene, vorne gab es eine durchgehende Sitzbank und die Kofferraumgröße lag über dem Durchschnitt.
Das neue Goggomobil bestach durch eine für diese Klasse ungewöhnliche Karosserie, die dem amerikanischen Modetrend folgte. (Hans Glas war Liebhaber amerikanischer Automobile.) Offensichtlich hatte man sich beim Entwurf an der Form des Buick Century von 1956 orientiert. Genau wie dieser hatte das Große Goggomobil eine Panoramascheibe und die schwungvoll ins Blech gepresste seitliche Sicke, die eine bis dahin einmalige Zweifarblackierung (dreifach abgesetzt) ermöglichte. Weißwandreifen vervollständigten das erfreuliche Erscheinungsbild.
Diese typischen äußeren Merkmale machten ihn unter seinen Konkurrenten unverwechselbar. Die Fahrer konnten sich an der serienmäßigen Lichthupe und an einem automatisch in die Ausgangslage zurückkehrenden Scheibenwischer und Blinker erfreuen. Auch die Kurbelfenster waren damals in dieser Klasse noch keine Selbstverständlichkeit. Die vorn angeschlagene Motorhaube oder das Lenkrad mit versenkter Nabe waren der Nachweis, dass man sich auch über die passive Sicherheit Gedanken gemacht hatte. Der vorn eingebaute luftgekühlte Zweizylinder-Viertakt-Boxermotor mit 600 ccm und 25 PS sollte die Vorderräder antreiben. Für seine Konstruktion zeichnete der von BMW gekommene Techniker Leonhard Ischinger verantwortlich.
Dieses Goggomobil war nun eine ernstzunehmende Alternative zum Lloyd 600 oder zum NSU/FIAT Jagst, die schon länger auf dem Markt waren. Zusammen mit dem ebenfalls vorgestellten NSU Prinz und dem BMW 600 bildeten sie die in den folgenden Jahren so erfolgreiche neue Kleinwagenklasse.